Vom Umgang mit Herausforderungen, Bedürfnissen und Wünschen, für die es keine schnelle Lösung gibt

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Jeder von uns kennt diese Momente, in denen wir uns etwas sehnlichst wünschen, ein Bedürfnis verspüren, das jedoch nicht erfüllt wird. Solche Situationen können eine tiefe innere Spannung auslösen. Doch was genau wird in diesen Momenten in uns berührt, und wie gehen wir innerlich damit um?

 

Dieses Thema ist für mich ein Kernthema – eines, das mich über Jahre hinweg immer wieder beschäftigt hat, auch aufgrund meiner eigenen Erfahrungen. Ich habe lange Zeit nicht verstanden, warum manche unerfüllte Wünsche oder Bedürfnisse in mir solch starke Reaktionen hervorrufen und welche Mechanismen dahinterstecken.

Ein persönliches Beispiel
Eines meiner tiefen Bedürfnisse war es, regelmäßig mit Freunden in den Urlaub zu fahren. Abenteuer erleben, Gemeinschaft spüren, entspannen und Zeit miteinander verbringen – das war mein Wunsch. Doch immer wieder stieß dieser Wunsch auf Hindernisse: Zeitmangel, unterschiedliche Interessen, Wetterprobleme oder Uneinigkeiten. Zurück blieb eine starke Sehnsucht nach Verbundenheit.

 

Meine typischen Reaktionen darauf waren Kampf, Manipulation oder das Hineinfallen in eine Opferrolle. Alles Strategien, um nicht mit dem eigentlichen Schmerz in mir in Kontakt zu kommen.

Schutzstrategien und innere Anteile

Warum greifen wir reflexartig auf solche Schutzstrategien zurück? Für mich wurde klar: Es ist ein Schutzmechanismus, der uns davor bewahren soll, mit tief verborgenen, verletzten Anteilen in Berührung zu kommen. Anteile, die sich in der Kindheit vielleicht einsam, isoliert oder verlassen gefühlt haben.

Doch diese Anteile sind da – in uns. Und sie werden durch unerfüllte Wünsche oder Bedürfnisse wieder berührt. Statt uns diesen inneren Gefühlen zuzuwenden, versuchen wir oft, sie zu vermeiden. Das kostet enorme Energie: Kämpfen, Fliehen, Erstarren – all das sind Mechanismen, die wir unbewusst einsetzen, um den Kontakt mit diesem verletzten Teil zu vermeiden.

Was wirklich dahintersteckt

Wenn wir in solchen Momenten ehrlich hinschauen, erkennen wir, dass die Sehnsucht nach Verbundenheit, Geborgenheit und Gemeinschaft in Wirklichkeit ein tiefer Wunsch ist, mit diesen verletzten Anteilen in Beziehung zu treten.

 

Doch in der akuten Situation sehen wir nicht die Realität. Wir sehen nur das, was uns fehlt – und dass wir es erneut nicht bekommen haben. Oft übersehen wir, dass unser Gegenüber in einem ganz anderen „Universum“ lebt: mit anderen Wahrnehmungen, Prioritäten und Bedürfnissen.

Wege zum Umgang mit unerfüllten Bedürfnissen

1. Bewusstwerdung
Der erste Schritt ist, sich die eigenen Schutzstrategien bewusst zu machen. Reflexion und das Erkennen unserer Muster helfen uns, zu verstehen, warum wir so reagieren, wie wir reagieren.

 

2. Repair: Nachträgliche Heilung
Es ist wichtig, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem wir uns selbst begegnen können – mit all den Strategien, die wir entwickelt haben. Dort können wir die verletzten Anteile in uns sehen, würdigen und ihnen Sicherheit und Halt geben.

 

3. Den Moment halten
Wenn die innere Spannung auftaucht, gilt es, nicht sofort nach außen zu reagieren. Stattdessen können wir innehalten und uns zuwenden:

Wie fühlt sich mein Körper gerade an?
Wo spüre ich die Spannung?
Es hilft, den Körper als Halt zu nutzen, die Grenzen des Körpers wahrzunehmen und die aufkommenden Gefühle liebevoll zu halten.

 

4. Orientierung
Orientierung im Hier und Jetzt ist essenziell:

Wo bin ich gerade?
In welchem Jahr lebe ich?
Hat mein aktuelles Gegenüber wirklich etwas mit diesem Schmerz zu tun?
Oft merken wir, dass wir uns in die Vergangenheit zurückversetzt fühlen – in eine Situation, die längst vorbei ist.

 

5. Ressourcen aktivieren
In schwierigen Momenten fühlt es sich oft an, als gäbe es nur den Schmerz und das unerfüllte Bedürfnis. Doch was ist noch da?

Freunde, sinnstiftende Tätigkeiten, schöne Erinnerungen, die Natur, Bewegung, Meditation – all das kann uns helfen, unsere Ressourcen zu aktivieren und wieder in die Realität zurückzukehren.

Ein Schritt nach dem anderen

Indem wir uns diesen verletzten Anteilen und unseren Schutzmustern zuwenden, kommen wir Stück für Stück in der Realität an. Wir lernen, liebevoll mit uns selbst umzugehen, und stärken unsere Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen präsent zu bleiben.

 

Dieser Prozess braucht Zeit, Geduld und vor allem Selbstmitgefühl. Aber er führt uns näher zu uns selbst – und zu einem authentischen Umgang mit unseren Bedürfnissen, Wünschen und Herausforderungen.