Dranbleiben – Warum es so schwerfällt und wie es leichter wird
Du kennst es bestimmt: Du nimmst dir etwas vor, willst dich endlich deinen Themen zuwenden. Vielleicht geht es darum, alte Muster zu durchbrechen, dich selbst wichtiger zu nehmen oder deine Beziehungen bewusster zu gestalten. Anfangs bist du motiviert, doch dann kommt das Leben dazwischen. Plötzlich fehlt die Energie, Zweifel tauchen auf, und ehe du dich versiehst, rutscht dein Vorhaben in den Hintergrund.
Vielleicht hast du dir dann auch schon mal gedacht:
„Warum schaffe ich es nicht, dranzubleiben?“
„Bin ich einfach nicht diszipliniert genug?“
Aber was, wenn es gar nicht an dir liegt – sondern an etwas, das viel tiefer in dir angelegt wurde?
Warum es so schwer ist, bei sich zu bleiben
Wir sind es gewohnt, Verbindlichkeit vor allem in Bezug auf andere zu sehen. Für den Job, für Freunde, für die Familie sind wir zuverlässig – aber wenn es um uns selbst geht? Dann schieben wir es oft auf.
Alles, was wir heute erleben – zum Beispiel die Schwierigkeit, uns selbst zuzuwenden – ist ein Ausdruck einer real erlebten Bindungserfahrung in unserer Kindheit.
Wenn wir früh gelernt haben, dass unsere Bedürfnisse nicht zählen, dass wir uns selbst nicht zu wichtig nehmen dürfen oder dass Nähe unsicher ist, dann tragen wir diese Prägungen unbewusst weiter.
Gerade die jüngere Generation kämpft oft damit, wirklich bei sich zu bleiben. Unsere Welt ist schnell, voller Ablenkungen und Erwartungen. Unser Nervensystem ist häufig in einem Zustand von Unruhe, unser Körper fühlt sich nicht wie ein sicherer Ort an. Sich selbst zu spüren, sich zu verkörpern, wirklich präsent zu sein – das ist oft schwerer, als es scheint.
Doch es gibt noch eine tiefere Ebene: Unser frühes Bindungserleben prägt unsere Fähigkeit, uns heute auf uns selbst zu beziehen.
Frühe Erfahrungen und unser Bezug zu uns selbst
Wenn du als Kind beständig erfahren hast, dass deine Eltern sich auf dich beziehen, dich regulieren, dir Halt geben, dann hast du eine innere Referenz für Sicherheit entwickelt.
Aber was, wenn diese Erfahrung gefehlt hat?
Wenn Eltern emotional nicht erreichbar oder selbst überfordert waren, dann fühlt sich das eigene Sein oft leer oder unverbunden an. Dann kann es schwer sein, bei sich zu bleiben – weil „bei sich“ nie ein sicherer Ort war.
Viele von uns suchen Halt im Außen – in Anerkennung, Ablenkung, Leistung. Doch wenn wir beginnen, uns für uns selbst zu entscheiden, begegnen wir nicht nur Freude und Motivation, sondern auch alten Schutzmechanismen.
Mit welchen Gefühlen wir in Kontakt kommen, wenn wir für uns losgehen
Wenn wir beginnen, uns selbst wichtig zu nehmen, kommen wir mit vielem in Berührung:
Mit Freude & Stolz, weil wir für uns einstehen.
Mit Angst & Unsicherheit, weil Veränderung bedeutet, dass wir alte Muster loslassen.
Mit Widerstand, weil unser Nervensystem sich nach dem Bekannten sehnt.
Mit Frust & Ungeduld, weil es oft langsamer geht, als wir es uns wünschen.
Mit Erleichterung, wenn wir spüren, dass sich der Weg lohnt.
Das alles gehört dazu. Dranbleiben bedeutet nicht, dass es sich immer gut anfühlt – sondern dass wir auch dann weitermachen, wenn es unangenehm ist.
Beziehungen als Teil des Weges
Gerade wenn es um unsere Beziehungsthemen geht, wünschen wir uns oft schnelle Lösungen. Ein Gefühl von „Jetzt ist es geschafft“. Doch Beziehungen sind nichts, das wir einmal „reparieren“ und dann abhaken können. Sie sind ein lebendiger, immer wieder herausfordernder Teil unseres Lebens.
Dranbleiben bedeutet hier nicht, dass es immer leicht sein muss. Es bedeutet, dass wir bereit sind, hinzuschauen. Uns zu fragen:
Wo gehe ich immer wieder aus der Verbindung?
Welche Ängste zeigen sich in Nähe?
Was brauche ich wirklich?
Und es bedeutet auch, dass wir uns nicht alleine durchkämpfen müssen.
Wir müssen es nicht mehr alleine machen
Früher war es oft so: Wer mit seinen Themen kämpfen musste, hatte wenig Unterstützung. Heute gibt es so viele Möglichkeiten – Therapie, Coaching, Gruppen, bewusste Beziehungen.
Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich Unterstützung zu holen. Im Gegenteil: Heilung geschieht in Verbindung.
Sich Hilfe zu holen bedeutet nicht, dass wir es nicht alleine „schaffen“. Es bedeutet, dass wir anerkennen, dass wir Menschen sind – und dass unser Nervensystem Sicherheit und Co-Regulation braucht, um sich wirklich zu entspannen.
Es ist okay, nicht alles alleine tragen zu müssen.
Mangeldenken und Beziehungssicherheit
Ein weiteres Thema, das viele vom Dranbleiben abhält, ist das Gefühl von Mangel. Besonders der Glaube, nicht genug zu haben – nicht genug Zeit, nicht genug Energie, nicht genug Geld.
Doch dieser Glaube entsteht nicht einfach so. Mangeldenken kann nur dort existieren, wo Unsicherheit, Misstrauen und Trennung vorherrschen.
Wenn wir das Gefühl haben, dass wir auf uns allein gestellt sind, dass wir kämpfen müssen, dass uns niemand wirklich unterstützt – dann bekommt Geld eine übermäßige Bedeutung. Weil wir Sicherheit nicht in Beziehungen erleben, suchen wir sie in materiellen Dingen.
Aber was passiert, wenn wir uns wirklich unterstützen? Wenn wir uns helfen, wenn wir teilen, wenn wir einander halten?
Dann verliert Geld seinen dominanten Stellenwert – weil wir Sicherheit nicht mehr darüber definieren müssen.
Wie Dranbleiben leichter wird
Sieh Verbindlichkeit mit dir selbst als einen Akt der Selbstfürsorge.
Gib dir selbst die Sicherheit, die dir vielleicht gefehlt hat. Das kann durch Routinen, durch sanfte Selbstzuwendung oder durch kleine Schritte geschehen.
Sieh deine Beziehungsthemen als Teil deines Lebens, nicht als etwas, das „fertig“ werden muss.
Hol dir Unterstützung. Du musst es nicht alleine schaffen.
Öffne dich für Verbindung. Heilung geschieht, wenn wir uns gegenseitig halten – nicht, wenn wir uns isolieren.
Feiere jeden kleinen Schritt. Es geht nicht darum, perfekt zu sein, sondern darum, dich immer wieder für dich selbst zu entscheiden.
Vielleicht magst du dir heute eine kleine Sache vornehmen – etwas, das nur für dich ist. Und vielleicht erlaubst du dir auch, um Unterstützung zu bitten.
Denn du musst es nicht alleine machen.